Boris von Brauchitsch

2010
"Ich komm mir vor wie `ne Witzfigur!" | 50 Jahre Ralf König
Schwules Museum, Berlin + Nederlands Stripmuseum, Groningen

Seit Jahrzehnten sind die Knollennasen Wegbegleiter der Schwulen, sie leiden und tucken, sie feiern und ficken, sie trauern und altern mit ihnen. Oder zumindest könnte man gelegentlich den Eindruck haben. Die strunzgeilsten Saftböcke und die hässlichsten Quarktaschen stammen aus Ralf Königs Feder, sie bevölkerten in den Anfängen nur ein kleines Homoreservat, inzwischen aber die gesamte Weltgeschichte, von der Bibel, über die Antike zur Renaissance und bis in die Gegenwart. Wer denkt heute bei Lysistrata noch an Aristophanes, wer bei Shakespeare nicht auch an Gronzo, der, wie einst Romeo, den Balkon erklimmt, wer bei Hitlers Schäferhündin nicht auch an Al, den weißen, homophoben Kläffer, der sich heimlich Nazi-Schnulzen reinzieht – Auf vier Pfoten durch das Dritte Reich

Die gnadenlose Respektlosigkeit ist in Königs Werk über die Jahre einer subtilen Ironie gewichen, aber noch immer versteht er seine Comics und „Graphic Novels“ als Statements zu gesellschaftspolitischen Fragen. Von schwuler Solidarität bis Safer Sex, von der Burka-Vermummung bis zu Backrezepten mit Crisco, von Adam und Eva bis zu Designerdrogen, kein Thema ist für Knollennasen zu brisant.

Die Welt von Ralf König präsentierte anlässlich seines 50. Geburtstags das Schwule Museum. Zugegen waren die Stars aus Königs Feder, aber auch eine ganze Reihe ziemlich unbekannter Gestalten. Neue Facetten und Raritäten trafen auf Klassiker, die längst den Sektor der Merchandising-Produkte für sich erschlossen haben: Teddys als Schlüsselanhänger, Kondome des Grauens aus Glas, Knollennasen als Wanduhren, auf Weinflaschen oder Telefonkarten… Der Blickwinkel war ein ungewohnter, denn das Universum der Knollennasen wurde ein erstes Mal ganz „wissenschaftlich“ erforscht: Wo finden sich die Objekte der Begierde, welche Rolle spielen Frauen und Haustiere, wie steht es um die Religion oder um den alten Streit zwischen Tunten und Lederkerlen? Die Ausstellung im Schwulen Museum -  basierend auf der Sammlung Mario Russo – gab fundierte Antworten auf derart existentielle Fragen.

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